von Picturepark Communication Team • Sept. 26, 2017
Ein Interview mit Ramon Forster, CEO von Picturepark
Gerade als Picturepark (die Firma) beginnen wollte, eine grösseres Update für ihr Picturepark DAM-Produkt zu entwickeln, kam die Stunde der unausweichlichen Wahrheit: Der Einsatzbereich von Digital Asset Management war zwar am expandieren und doch konnte kein DAM-System den neuen und zukünftigen Anforderungen gerecht werden — auch nicht das bestehende Produkt von Picturepark.
Die Entwicklung des Upgrades für Picturepark DAM wurde gestoppt, während die Firma einige schwierige Entscheidungen fällen musste, wie weiter vorzugehen sei. Alle Teams aus Business, Engineering und Management stimmten überein: Es war Zeit für ein komplett neues Produkt.
Die Picturepark Content Platform ist das Resultat dieser Entscheidung und der Entwicklungsleistungen, welche seither stattgefunden haben. Es dauerte Jahre, um das Produkt zu komplettieren – eine Zeit, welche für die Firma, Partner, Kunden und den Markt als Ganzes oft nicht einfach war.
Ist das Result den Aufwand Wert?
Picturepark CEO, Ramon Forster, erzählt die Geschichte aus seiner Perspektive.
Was hat Dich überzeugt, dass es an der Zeit war, etwas Neues zu schaffen?
Ich kann mich nicht an einen speziellen Grund dafür erinnern. Es war mehr ein stetiger Fluss von Diskussionen und Erkenntnissen, die zur Entscheidung geführt haben, noch einmal neu zu beginnen.
Seit der Gründung unseres Unternehmens im Jahre 2000 sind wir davon überzeugt, dass Inhalte (oder Informationen) nur wertloses Potenzial sind, wenn sie nicht ausgetauscht werden. Das ist auch der Grund, warum unser Unternehmen als „Vision Information Transaction Inc.“ eingetragen ist. Wir hatten unter dem Namen „TransferTool” sogar einen File Transfer-Service vorgestellt – lange, bevor Dropbox das Licht der Welt erblickte. Wir haben den Service später verkauft, um uns ganz auf DAM zu konzentrieren.
Im Jahre 2010 begannen wir, ernsthaft zu diskutieren, in welche Richtung sich Digital Asset Management entwickeln würde. Wir hatten verstanden, dass angesichts der schnell wachsenden Landschaft eingesetzter Systeme die Aspekte “Automatisierung” und “Integration” immer wichtiger würden – vor allem in der Cloud. So begannen wir, ernsthaft mit APIs und neuen Technologien zu experimentieren und haben später eine ganze Reihe schlüsselfertiger “Connectors” zu verschiedenen Business-Systemen vorgestellt.
Diese Philosophie haben wir weiter verfolgt, als wir richtig verstehen begannen, dass Inhalte entscheidend sind – nicht die Dateien, die den Inhalt lediglich fassen. Die im Jahre 2013 vorgestellte Technologie der adaptiven Metadaten war ein Resultat dieser völlig neuen Denkweise bei Picturepark.
Gleichzeitig erkannten wir, dass wir neue Funktionen oft zu schnell und zuweilen zu kurzsichtig dem Produkt hinzugefügt hatten – entweder auf Basis der Anforderungen einiger weniger Kunden oder aufgrund der Meinungen von Analysten oder mit Sicht auf Mitbewerber. Wir verstanden, dass wir dieses Spiel nicht mehr weitertreiben konnten, und gleichzeitig unserer neuen Vision nachleben konnten.
Wir nahmen uns daher die benötigte Zeit, die ersten Skizzen eines wirklich auf die Inhalte fokussierten und verteilten DAM-Systems zu entwickeln – eines Systems, das die Inhalte vom Ort der Entstehung dorthin leitet, wo sie benötigt oder konsumiert werden. Daraus hat sich die Picturepark Content Platform entwickelt.
Noch einmal neu zu beginnen, wenn man bereits ein etabliertes Produkt hat, ist ein Risiko. Warum seid Ihr das eingegangen?
Wir wollten einfach keine Kompromisse mehr eingehen, was und wie wir etwas tun, nur weil wir bereits ein etabliertes Produkt am Markt hatten – einer Lösung, die zwar großartig ist für DAM, aber nicht mehr voll im Einklang mit der Vision war, die wir umzusetzen wünschten.
So wollten wir eine hochgradig verteilte Systemarchitektur, und die Software sollte nach dem „API first“-Ansatz entwickelt werden. Mit sehr leistungsfähige Frameworks für die Integration sollten unsere Teams oder Dritte befähigt werden, bestehende Funktionen zu nutzen und zu erweitern, und umfangreiche Integrationen zu entwickeln. Wir wollten auch von interessanten neuen Technologien für die Software-Entwicklung profitieren – und diese gesamtheitliche und nicht nur in bestimmten Bereichen einsetzen, wie wir es in Picturepark DAM gemacht haben.
Nichts von dem oben genannten kannst du kompromisslos mit einem bestehenden Produkt realisieren, das seit vielen Jahren auf dem Markt erfolgreich ist, aber mit anderen Paradigmen entwickelt wurde.
Bedeutet diese neue Richtung, dass die DAM-Branche über all die Jahren falsch lag?
Nein. Es gab und es gibt immer noch einen stetig wachsenden Bedarf, Mediendateien zu verwalten. Aber ich denke, die DAM-Branche muss einige grundlegende Veränderungen verstehen lernen, mit denen sie sich aktuell konfrontiert sieht:
Erstens, während der DAM-Markt mit einer Zunahme von indirekten Konkurrenten aus den PIM- und CMS-Bereichen bereits sehr wettbewerbsintensiv ist, fehlen da immer noch die Effekte Cloud-basierte Filesharing-System wie Dropbox, Google Drive, Adobe Cloud und Box. Ich denke, diese werden DAM über kurz oder lang weitgehend vereinnahmen, sei es direkt oder indirekt. Tatsächlich tun sie dies weitgehend heute schon – wir erkennen es nur nicht, weil sie nicht vorgeben, ein DAM zu sein und im markt nicht als solche kategorisiert werden. Ich denke, dass auch Funktionen für die Kollaboration und das Metadaten-Management langfristig keine Wettbewerbsvorteile bleiben, so wie sie es bis zu einem gewissen Grade heute noch sind.
Zweitens: Inhalte werden in zunehmendem Maße nicht mehr in Dateiform und in Desktop-Applikationen verwaltet, sondern sie werden direkt in Cloud-Applikationen erstellt und verwaltet, die Inhalte proprietär speichern. Man ist wohl noch in der Lage, solche Inhalte für den Austausch als Datei zu exportieren. Aber wir werden auf diese Inhalte mehr und mehr über APIs oder von verbundene Applikationen aus zugreifen – ohne dass eine Datei erstellt oder ausgetauscht wird. Für die Verwaltung dieser Art von Inhalten müssen DAM-Systeme flexibel genug sein, auch dateilose Inhalte zu speichern oder auf die Orte zu verweisen, wo diese verwaltet werden. Idealerweise können sie beides.
Drittens, und auf letzteres bezogen: Automatisierung und die Zusammenarbeit von Maschinen sind ein zunehmend wichtiger Erfolgsfaktor in vielen Bereichen, darunter Content Management und DAM. Künstliche Intelligenz (KI oder AI), das Internet der Dinge (IoT) und Technologien wie Blockchain sind nur frühe Anzeichen der Dinge, welche in Zukunft weitaus “disruptiver” sein werden, als das, was die meisten heute annehmen.
Es wäre ein erfolgloses Bemühen, all dies nur oberflächlich adressieren zu wollen, wie zum Beispiel über eine hübsche Benutzeroberfläche, Schritt-für-Schritt-Assistenten, ein API umgestellt auf REST, oder einen Auto Tagging-Service. Es würde auch nichts bringen, mehr Geld in Anzeigenkampagnen zu stecken oder das Team für Professional Services auszubauen, so wie ich dies im DAM- und anderen Bereichen beobachte. Produkte und Geschäftsmodelle müssen meiner Meinung nach grundlegend überdacht werden.
Bist Du nicht besorgt, dass Kunden und der Markt nicht mehr verstehen, in welche Schublade Picturepark neu passt?
Wenn Sie das Unternehmen Picturepark meinen, dann nicht. Picturepark DAM und die Picturepark Content Platform sind zwei verschiedene Produkte. Im Hinblick auf das Unternehmen haben wir also einfach ein neues Produkt eingeführt, das unter dem Dachbegriff der „Content-Systeme“ angesiedelt ist – wie Picturepark DAM ja auch.
Wenn Sie speziell die Content Platform meinen, dann ja – ich habe berechtigte Bedenken, aber eigentlich weniger über die Kunden als den Markt im Ganzen.
Die Auflistung in bestimmten Kategorien ist entscheidend, um gefunden zu werden – speziell für kleinere Unternehmen mit begrenzten Marketingbudgets wie uns. Wenn Analysten, die Medien oder auch Google uns nicht mehr kategorisieren können, dann wirkt sich das negativ auf die Zahl der Leads aus, die wir generieren.
Mit grundsätzlichen Elementen von DAM, PIM und MDM ist die Kategorisierung der Picturepark Content Platform in all diesen Bereichen eher unwahrscheinlich. Eine Kategorie, die wir unserer Meinung nach am besten passen, ist „Headless CMS“, eine relativ neue Kategorie von Systemen aus dem Bereich der Web Content Management-Systeme.
Unabhängig von den Kategorien – sobald Interessenten oder Kunden auf einer mehr praktischen Ebene sehen können, welche Aufgaben man mit der Content Platform lösen kann, werden sie den ihren Wert sofort verstehen und ableiten können, wie das System ihre Anforderungen auch in Bereichen lösen kann, an die sie zunächst noch gar nicht gedacht haben. Wir fanden über unserer Marktforschung heraus, dass diese Kunden auch eher bereit sind, ihr traditionelles Denken in Kategorien und die damit verbundenen Standard-Erwartungen an System aufzugeben, um ihre Probleme im Content Management viel fundamentaler anzugehen.
Die Möglichkeiten der Content Platform reichen in die Bereiche MDM und PIM hinein. Wird da nicht zu viel von einem einzigen System erwartet?
Auf den ersten Blick: ja. Aber frage Dich doch einmal, wie viel von Deinem DAM, PIM oder CMS Du auch tatsächlich täglich brauchst und einsetzen tust. Ich bin immer wieder überrascht von den überhöhten Erwartungen, wozu Systeme in der Lage sein sollen, wobei gleichzeitig massiv unterschätzt wird, was eigentlich nur über klar definierte Richtlinien und Abläufe zu lösen ist. Es besteht eine allgemeine Tendenz, Lösungen mit Technologie-Fokus zu “over-engineeren”, obschon mit einem subsidiären Ansatz die eigentliche Lösung weitaus fundamentaler, nachhaltiger und oft auch greifbarer wäre. Ich bin mir aber natürlich bewusst, dass es einfacher ist, Probleme mit Systemen „zu patchen“ als das Übel an der Wurzel zu packen.
Wer also erwartet, dass ein einziges System gleichzeitig das leistungsstärkste DAM, PIM, MDM und CMS ist, das alle Probleme im Handumdrehen löst, dem wird die Content Platform dies nicht bieten können – ich denke, kein System wird dazu wirklich in der Lage sein.
Wer aber nach einer flexiblen Platform sucht, die alle Arten von Inhalte verwalten und weiterleiten kann – unabhängig davon, ob sie mit Produkten, Personen oder Kampagnen verknüpft sind; gleichgültig, ob sie von der Marketing-, Vertriebs- oder Personalabteilung oder dem Produktmanagement zur Verfügung gestellt werden; egal, ob sie dateibasiert sind oder nicht – wer also nach einer Platform für Inhalte sucht, welche ohne Schnickschnack und erschwinglich so genutzt werden kann, wie man das will, der wird die Content Platform eine sehr gute Lösung finden.
Mit der Content Platform kann man mehrere Applikationen so verbinden, so dass sie wie ein einziges System arbeiten. Man kann die Content Platform aber auch als ein eigenständiges Content-System betreiben. Man muss bereits bestehenden Applikationen und Datenbanken wie etwa ein PIM nicht aufgeben – es kann aber sinnvoll ergänzt werden. Und man kann Schritt für Schritt und nach Mass geschneidert sehr umfangreichem integrierte Content-Lösungen realisieren. Dabei muss man auf der anderen Seite aber auch nicht immer gleich Code schreiben, nur weil mal ein paar Inhalte mit anderen Benutzern geteilt werden sollen.
Natürlich muss man immer noch planen, sich auf eine Informationsarchitektur einigen, harte Entscheidungen treffen und einiges an Zeit investieren – es gibt leider keinen „goldenen Knopf“, der alles augenblicklich und abschliessend regelt. Aber man muss auch nicht von Null beginnen, denn die Content Platform bietet eine solide und umfassende Grundlage für alle Content-Initiativen.
Was bedeutet die Content Platform für Picturepark DAM?
Picturepark DAM ist als Digital Asset Management-System mit großem Funktionsumfang seit Jahren unser Flaggschiff-Produkt. Es hat eine breite Kundenbasis, der wir natürlich nicht den Rücken kehren werden. Wenn aber unsere Vision der Zukunft von Content Management wahr wird, denken wir, dass die Content Platform sowohl für bestehende als auch neue Kunden die präferierte Wahl sein wird.
Wir haben auch einen Connector in Beta, der Inhalte aus Picturepark DAM in die Picturepark Content Platform überführt, von wo aus diese dann weitergeleitet werden können. Es wird wahrscheinlich auch Kunden geben, die beide Systeme parallel einsetzen.
Wie wird sich die Erweiterung des Produktportfolios auf das Picturepark Partnernetzwerk auswirken?
Die bestehenden Partner werden Picturepark DAM wie bisher vertreiben. Wir werden ein weiteres Partnerprogramm aufsetzen, das bestehenden und neuen Partnern bessere Möglichkeiten bieten wird, ihre Kompetenz auch für die Content Platform bereitzustellen. Ein Schwerpunkt wird auf Value Added Resellers (VARs) liegen, welche die zugrundeliegende Platform für den Aufbau umfassender Content-Lösungen nutzen werden.
Wir denken, dass die Content Platform beispielsweise für Digitalagenturen sehr verlockend sein kann, die Web-Anwendungen und Apps für Mobilgeräte entwickeln. Mit der Content Platform können sie sehr einfach beliebige Portale erstellen, sei es für die Darstellung von Gewerbeimmobilien, die Präsentation von Referenzprojekten eines Architekturbüros oder die Bereitstellung von Marketingmaterialien für Händler – alles, ohne das Rad immer wieder von Grund auf neu erfinden zu müssen.
Gibt es etwas, was Du anders machen würdest, wenn Du dazu die Gelegenheit hättest?
Definitiv – und nicht nur ein paar Dinge! Dabei geht es aber nicht um die Vision, sondern mehr um die Organisation. Ich gedenke, dies zu einem späteren Zeitpunkt einmal detaillierter zu offenbaren.
Die Content Platform hat sich nun fast ein Jahr verzögert. Das ist natürlich nicht ungewöhnlich im Bereich der Softwareentwicklung. Aber natürlich würde ich heute die Dinge besser organisieren, um unsere „Time-to-Market“ zu verkürzen. Auf der anderen Seite haben einige der Fehler, die wir gemacht haben, zu wichtigen Erkenntnissen geführt, die unsere Vision geschärft und letztlich die Content Platform zu einem deutlich besseren Produkt gemacht haben.
Die Entwicklung von Software für genau bekannte Aufgaben ist deutlich einfacher als Applikationen für Prozesse zu entwickeln, die noch nicht vollständig und im Detail bekannt sind. Das effektive Management von Inhalten (und noch allgemeiner Informationen und Daten) ist seit langem ein “Moving Target“ – und wird es wohl auch noch lange bleiben. Deshalb werden auch wir in Zukunft nicht stehenbleiben.
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